Love-Tender-Care by RosaPfeffer - aber wir sind doch die Gäste

Gerne treffe ich mich mit Geschäftspartner/innen in Hotels. Ich liebe Hotelbars und –restaurants, sie sind ein Vorzimmer zum eigentlichen Hotel. Vor ein paar Wochen hatte ich ein Meeting in einem sehr angesagten, trendigen und hippen (genau in dieser Reihenfolge) Wiener Hotel. Die Restaurantbelegung an diesem Jännertag ist nur mäßig, wir unterhalten uns und alles läuft sehr gut an, das Mittagessen ist fein und der Service aufmerksam. Nach einer Stunde bemerke ich eine gewisse Anstrengung in diesem ansonsten so angenehmen und netten Treffen. Schnell wird mir und meinem Gegenüber klar, dass die Musik zu laut ist und wir uns extrem konzentrieren müssen, um den anderen zu verstehen. Ich bitte die Kellnerin, die Musik ein bisschen zu dämpfen. Ihre Reaktion hat uns dann aber überrascht: Nein, das darf sie nicht machen, Anordnung vom Management. Meine Meetingpartnerin ist entrüstet und sagt eindringlich zur Kellnerin „Aber wir sind doch die Gäste“. Die Kellnerin sieht uns verständnislos an und zieht von dannen. Wir bleiben, ob des abrupten Abgangs, in einer ungeklärten Wolke mit lauter Musik zurück.

Was steht hinter der Geschichte?

Das Hotel positioniert sich als weltoffen, cool und trendy. Mit smarten, ungewöhnlichen Lösungen möchten sie bei den Gästen punkten. Selbstverständlich ist man per Du und alles ist locker, lässig. Diese Lockerheit bröckelt jedoch beim kleinsten Anstoß und schon merkt man die starke Hierarchie des Hotels. Hier haben die Mitarbeiter/innen kein Mitspracherecht, hier ist vieles (oder alles) strikt geregelt, nichts ist locker und lässig – es ist (nur) auf cool hinfrisiert.

Aber was hätte die junge Frau in so einem Fall wirklich machen können?

  • Die Lautstärke beibehalten – entsprechend dem Konzept.
  • Die Musik leiser drehen – entsprechend dem Gästewunsch.
  • Die Musik abdrehen – wäre für uns als einzige Gäste auch OK gewesen.

Keine Frage, in gewisser Weise muss man dem Hotelkonzept treu bleiben, sonst verwässert die Positionierung und man ist ein farbloser Fisch im großen Wiener Hotelbecken. Auf der anderen Seite möchte das Hotelrestaurant auch Wiener Publikum anziehen, denn ein Hotspot der Einheimischen wirkt auf Gäste wie Licht auf Motten, schließlich ist man dann Insider und nicht Tourist.

Ganz ehrlich, ich bin mir nicht sicher, welche Wahl für das Hotel die Bessere ist. Nur eines ist für mich gewiss, für Geschäftsmeetings werde ich dieses Hotel nicht mehr wählen, denn die Geräuschkulisse ist zu anstrengend.

Was hätten Sie aus Sicht des Hotels gewählt?

Weiter geht es mit Love-Tender-Care am 15. April 2015.

Bis bald,

Barbara Guger