Vor circa 50 Jahren sind in unseren Breitengraden Badezimmer zum flächendeckenden Massenphänomen geworden. Endlich war der Traum vom privaten, abschließbaren Rückzugsort Wirklichkeit geworden. Ein Ort der Hygiene, aber auch der Entspannung, hier kann man alles draußen lassen und einen Moment lang ganz für sich alleine sein. Das Bad ist Privatheit pur. Obwohl objektiv betrachtet ist das Badezimmer meist gar kein gemütlicher Raum, oft viel zu klein und zu steril. Doch liebt man die Minuten hier allein.

Nun blüht dem Bad jedoch dasselbe Schicksal wie einst der Küche. Beiden Räumen werden mehr und mehr die Grenzen entzogen. Die Küche wird ins Wohnzimmer integriert, es entsteht die Wohnküche. Das Badezimmer wird zum Schlafzimmer hinzugefügt und bekommt den passenden Titel „Master Bedroom & Bath“ verliehen. Designer Philippe Starck entwickelte in den achtziger Jahren die freistehende Badewanne und die Sehnsucht nach dem offenen wohlgestalteten Raum rund um den modernen Waschzuber war geweckt. Endlich war das Badezimmer auch zum Wohnraum herangereift.

Das Badezimmer ein Sehnsuchtsort

Stunning modern bathroom with panoramic wrap around view windows overlooking a tranquil winter lake and a freestanding boat-shaped tub surrounded by burning candles, 3d rendering corner perspective

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Heute ist es in vielen Hotelzimmern schon Realität, da steht die Badewanne direkt neben dem Bett. Ein Sehnsuchtsort der Gäste und beliebtestes Fotomotiv der Hoteliers. In jedem eleganten Hotel darf ein Zimmer mit einer freistehenden Badewanne nicht fehlen und oft ist diese Wanne auch nur der Hingucker fürs Marketing. Schaut man jedoch genauer hin, wird dieser Luxus wenig genutzt. Auch gläserne Bäder sind en vogue, doch oft nicht zur Freude der Gäste und Reinigungskräfte. Keine Frage, es ist schön anzusehen und lässt sich gut auf Werbebildern verkaufen. In Wahrheit aber sind die Gäste oft unglücklich mit der neuen Freizügigkeit. Woher kommt das? Ich könnte mir vorstellen, dass Urlaub und Reisen für viele Gäste immer auch eine Ausnahmesituation darstellen. Man ist mit Partner/in/Kindern auf engem Raum meist durchgehend zusammen und dann wird einem auch noch dieser letzte Rückzugsort genommen. Man beobachtet und wird beobachtet.

Für mich sind es also folgende Aspekte, die Gäste als störend empfinden:

1)      Das Bad ist der Ort, an dem wir uns unserem Körper widmen. Und mal ehrlich, möchte ich wirklich vor meinem Partner die Nasenhaare trimmen oder selbst zum unfreiwilligen Zuschauer werden?

2)      Das Bad ist also ein Rückzugsort. Hier kann man seinen Gefühlen freien Lauf lassen, einmal für sich sein, vielleicht heulen, mal kräftig durchatmen oder ein vergnügtes Liedchen trällern. Kurz einfach mal sein.

3)      Teilt man sein Zimmer mit einer nicht eng vertrauten Person, möchte man zumindest im Badezimmer gerne seine Intimsphäre wahren.

Interessant war auch in meiner Forschung zu beobachten, wie genau und detailliert Hotelgäste Bäder beschreiben. Ein Bad wird nicht als Ergänzung zum Zimmer betrachtet, sondern erhält ganz eine gesonderte Aufmerksamkeit und detaillierte Beschreibung.

Beim Badezimmer gehen die Wogen also hoch. Design und Funktion wollen oft nicht Hand in Hand gehen. Die Vorstellungen der Designer/innen, wie innig und vertraut zwei Gäste im Umgang miteinander ihre Körperpflegerituale teilen sollen, stehen quer zur Realität. Die Hoteliers wissen zum Glück schon um dieses Phänomen Bescheid: Umso erheiternder zu sehen, wenn es in der Suite neben der freistehenden Badewanne fürs Foto dann auch noch ein separates Badezimmer mit Dusche und/oder Wanne gibt.

 

Wie stehen Sie dazu? Lieber Badezimmer zum Abschließen oder offenes Terrain?