Wie viel dürfen Stammgäste?

Neukundengewinnung ist teuer, wie wir alle wissen. Stammkunden dagegen sollte man behalten und immer wieder aufs Neue begeistern. Aber was dürfen Stammkunden alles verlangen?

Eine Frage, die mich seit letzter Woche beschäftigt.

Wir waren in unserem Wiener Stammkaffee, das wir seit knapp zehn Jahren mindestens zweimal pro Monat besuchen. Wir haben in diesem Kaffeehaus runde und unrunde Geburtstage gefeiert, Menschen eingeladen, Urlaube geplant, Geschäftsbesprechungen durchgeführt und EINFACH GELEBT. Hochgerechnet in Zahlen bedeutet das: 250 Kaffeehausbesuche und circa 6.000.- Euro Umsatz, die wir an Konsumationen eingebracht haben (Kaskadeneffekte von Freunden, die uns begleitet haben nicht eingerechnet). Emotional bedeutet das: Unser Kokon – unser Lieblingskaffee – das Leben ist schöner dort. Also eine ganz schön hohe Summe, emotional wie finanziell.

Seit fast zwei Jahren sind wir Eltern und unser Kind ist entzückend und lebendig, im Kindergarten sagen sie „stürmisch“. Letzte Woche trafen wir unsere Freunde mit ihren zwei Kindern in diesem besagten Kaffeehaus. Die Kinder amüsierten sich, sprachen laut und liefen herum. Das Kaffeehaus, in gähnende Leere gehüllt, wir sieben und eine Dame am Nebentisch genossen den frühen Sonntagvormittag in Wien. Wir ließen die Kinder fröhlich sein, da für uns kein Betrieb und somit keine Gefahr erkennbar war. Und außerdem muss angemerkt werden: Das Kaffeehaus ist bekannt für den lockeren Umgang mit Kindern. Nach ein paar Aufforderungen seitens des Besitzers, unsere Kinder sollten leiser sein, kam was kommen musste, das bittere Ende. Der Besitzer war verärgert und wir waren es noch mehr. Wir zahlten und sagten Adieu. Unser Lieblingskaffeehaus ist für uns von nun an Geschichte.

Man darf sich das jetzt NICHT als wildes Durcheinander vorstellen in einem voll besetzten Kaffeehaus mit schreienden Kindern. Es war viel mehr „entspannt“, zwei Kleinkinder sind herumgelaufen und lachten, keine Gäste weit und breit, außer der besagten Dame (ebenfalls ein Stammgast? Hat sie sich beschwert?). An diesem Morgen war für uns klar, wir frühstücken kurz und dann geht es ab auf den Spielplatz. Noch lange bevor sich das Kaffeehaus füllen würde.

Und eben seit diesem Tag beschäftigt mich die Frage: Wie viel dürfen Stammgäste?

Bei uns haben die Alarmglocken nicht geschrillt, obwohl ich als Wirtstochter und meine Freundin als Hotelière schon gefühlte 100 Detektoren für lärmende Kinder haben. Da wir in Gastronomiebetrieben aufgewachsen sind, wissen wir, wo die Grenzen liegen.

Musste uns der Besitzer wirklich dermaßen zurechtweisen? Hätte nicht ein freundschaftlich anmutendes Gespräch ausgereicht?

Sicherlich eine Stresssituation für beide und es ist mit einem echten LOSE-LOSE ausgegangen, wir werden unser Kaffeehaus dermaßen vermissen. Schluchz! Aber so können wir nun mal gar nicht mit uns umspringen lassen.

Das Kaffeehaus ist auch nicht perfekt: Letzte Woche hatte ich einen Geschäftstermin und bestellte ein kleines Frühstück, aber mein Essen kam nie, dafür die Rechnung über den vollen Betrag oder kalte Eiergerichte, versalzene Suppen usw. Streitigkeiten zwischen Besitzer und Mitarbeitern, die wir mit anhören mussten. Vieles bekommt man als Stammgast mit und trotzdem hält man die Treue.

Objektiv betrachtet kann ich feststellen, dass durch die emotionale Verbindung zwischen Stammgast und Betrieb eine Beziehung entsteht. Auf der einen Seite sieht sich der Gast im Recht durch seine Treue mehr zu bekommen als „Laufkundschaften“. Auf der anderen Seite kann der Gastgeber nur bis zu einem gewissen Ausmaß den Sonderwünschen der Stammgäste nachkommen. Bei einem „Nein“ erfordert es ein sehr ausgeprägtes Fingerspitzengefühl für die Kommunikation. Denn eines ist gewiss, Stammgäste sind Umsatzbringer mit extrem geringen Marketingkosten.

Kennen Sie ähnliche Situationen? Wie sind Sie damit umgegangen. Ich freue mich auf Ihre Kommentare.

(© Fotolia)