Medical Wellness ist im Tourismus ein anhaltender Trend, der sich durch die Überalterung der Bevölkerung verstärkt.

Für Medical Wellness viel zu jung, aber auch viel zu neugierig um das nicht doch einmal zu probieren. Normalerweise entsage ich allen Spa-Anwendungen und halte es eher wie mein Vater „Mia braucht neamt am Bugi herumdrucka“.

Meine Versicherung war dann so nett (auch sehr zu ihrem Vorteil) und spendierte mir eine Gesundenuntersuchung. Dabei konnte ich mir verschiedene 4-Sterne-Hotels in Österreich aussuchen. Aus Nostalgiegründen wählte ich das Steigenberger Avance Hotel in Krems, schließlich hatte ich dort studiert und ein paar Sommertage in den Wachauer Weinbergen sind schon sehr nett. Das Köderangebot der Versicherung wirft wirklich einen leckeren Köder aus: man macht eine Gesundenuntersuchung dafür kann man zwei Nächte in einem Hotel verbringen und genießt paar Wellnessanwendungen. Zusätzlich untersuchen nette, nicht gestresste Ärzte einem von Kopf bis Fuß. Im Prinzip ist es ein geschenkter Urlaub für die Kunden, dahinter stecken aber dennoch wirtschaftlich kalkulierte Überlegungen der Versicherungen. Aber einem geschenkten Gaul schaut man nicht weiter ins Maul.

Wie erwartet, war ich natürlich die Jüngste bei der Anreise. Vorteile und Nachteile inbegriffen. Drei andere Teilnehmer/innen, wahre Experten, konnten sich sofort zwischen den Relax- und Aktiveinheiten entscheiden. Ich kannte nicht mal den Unterschied und so stand ich wie ein Thor vor dem echten Moor. Eine Seifenbürstenschruppung, eine Rückenmassage, eine Fußreflexzonenmassage oder doch Moorpackungen? Und dann erst der Aktivteil – eine Körperhaltungsanalyse, Muskeltests, Erstellung eines persönlichen Trainingsplans oder Belastung EKG – HUI! Man konnte sein Programm aus 5 Punkten zusammenbasteln, so entschied ich mich wie die Experten für 3 x Relax- und 2 x Aktivpunkten.

Zu den Vorteilen meiner Jugend: ich durfte am nächsten Tag lange schlafen und musste erst um 8:15 zum Bluttest antreten. Die nette Ärztin hat mir verraten, dass die Jungen immer lange schlafen dürfen. So ein Service! Dann hat sie mich auf Herz und Nieren untersucht und das ist wörtlich zu nehmen, Ultraschall. Schon cool, wenn man da so seine Eingeweide sieht – noch dazu in einer supernetten, entspannten Atmosphäre mit freiem Blick auf die Weinberge. Zu dieser Atmosphäre trägt auch das Flair eines Wellnesshotels bei, nichts außer das Stethoskop erinnert an eine medizinische Einrichtung. Allerdings erfährt Schmutz auf der Treppe am Weg ins Cadera Center (=Name der Gesundheitseinrichtung) eine neue Bedeutung – die Toleranzgrenze sinkt deutlich und jedes tote Insekt wird strikt gemustert. In einem „normalen“ Hotel wird immer ein Auge zugedrückt, aber wenn irgendein medizinischer Aspekt dabei ist, drücken nicht mal mehr die künftigen Hühneraugen mit.

Mein Geheimtipp für Gesundenuntersuchungen: Unbedingt eine Armbanduhr mitnehmen, sonst ist man Leibeigener seines Handys, wenn dieses noch dazu ein Smartphone ist, findet man sich endgültig im Sklaventum seiner Mails wieder.

Ich könnte noch seitenweise über meinen Aufenthalt in Krems berichten, aber 2 A4 sind genug, deswegen in aller Kürze die bemerkenswerten Dinge aus dem Hotel. Beim Check-in wurde ich von der Rezeptionistin gefragt, ob ich ein Upgrade in ein Zimmer mit Parkettboden möchte. Da konnte ich selbstverständlich nicht „NEIN“ sagen. „Parkettboden“ als Verkaufsargument finde ich herrlich. Zumal bei meiner Dissertation über Hotelwahrnehmung ein Ergebnis war, dass Gäste Bodenbelägen eine sehr hohe Bedeutung beimessen. Wie wahr, wie wahr, den Teppichboden im Flurbereich fand ich dementsprechend auch ganz übel. Aprospos Boden, ja die Wege im Hotel sind lange und die Beschilderung etwas spärlich – so kam es, dass obwohl gut trainiert, sich am 2 Tag ein Muskelkater sich meldete – gefühlt bin ich während der 24 Stunden wohl 100 Geschosse gegangen (Okay es hätte Lifte gegeben, aber als Jüngste bei einer Gesundenuntersuchung muss man einfach die Stufen nehmen)

Das Steigenberger Avance Hotel befindet sich in baulicher Veränderung. Manche Übergänge zwischen neu und alt sind schön gelöst, manche etwas holprig und eine zeitgemäßere Übergangslösung in der Lobby wäre wünschenswert. Diesen Wunsch beiseite gestellt, empfang dich die zwei Nächte in Krems herrlich, das Essen und der Service waren ausgezeichnet. Das Wetter feierte Sommer. Lediglich meine Mituntersuchenden mussten leiden, das Mikroklima im Hotel war extrem heiß und sie fanden im neuen Teil des Gebäudes auch in der Nacht keinen Schlaf. Hier könnte ich auch noch mit einer leisen Kritik einhacken, die Matratzen waren einfach zu hart – ich habe mich nächsten Tag wie eine alte Frau gefühlt und nur kräftiges „rumdrücken am Bucki“ konnte den Verspannungsschmerz lindern.

 

Prickelnd:

_ Wunderbares Abendessen – wirklich wunderbares Essen!

_ Pool mit Sicht auf die Wachauer Weinberge

_ Zimmeraussicht auf die Stadt Krems und Weinberge

_ Kleiderkasten mit Glasschiebetüren und toller Beleuchtung – sorgt nicht nur für einen guten Überblick im Schrank, sondern ist auch eine schöne Lichtquelle im Raum

_ Bibel und die Schrift Buddhas im Kasten

_ Frühstücksbuffet mit Brottheke – hier zeigt sich endlich mal die Backkunst der Österreicher/innen

_ Alte Stube im Hotel – Schöner Übergang zwischen Alt und Neu

_ Brotauswahl vom Feinsten – endlich wird mal die österreichische Brotauswahl richtig in Szene gesetzt

 

Schal:

_ Wärme im Hotel – das Mikroklima brachte mich dazu durchgängig Wasser zu trinken und trotzdem war ich fast am Verdursten.

_ Harte Matratzen – da spürt man nächsten Tag seine Knochen

_ Keine Pflegeprodukte am Zimmer, nur in den vormontieren Packungen – ich hasse diese „billigen“ Kloseifenspender

_ Balkonmöbeln nicht dem Zimmer entsprechend

_ Teilweise harte Übergänge zwischen Alt und Neu – z.B. altes Gebäude Gang zu den renovierten Zimmern

_ Privat öffentliche Bereiche zum Verweilen fehlen – die etwas düstere Rezeption lädt auch nicht zum Verweilen ein. Mein Mitstreiter bei der Gesundenuntersuchung mussten einen Nachmittag arbeiten und fanden nirgends einen idealen Platz. In der Rezeption war es zu dunkel und die Polstermöbel zu unbequem, um am Computer zu tippsen. Im Zimmer war es zu warm und die Balkonmöbel in neuen Teil war mehr als Entspannungseinheit für strapazierte Augen gedacht als eine Sitzgelegenheit.

_ Das alte Problem von fast allen modernen Hotels – Stromlieferung ist an die Zimmerkarte gekoppelt. Durch die heftige Handynutzung aufgrund der vergessenen Uhr floss der Strom nur so in das Display und ich musste mein Telefon an den Strom anstecken und zum nächsten Termin eilen, aber Moment ohne Karte kein Strom. Bei Nachfrage an der Rezeption, wie ich mein Handy aufladen könnte, wurde mir empfohlen ein Prospekt zu falten und hineinzustecken. Gute Idee, nur der Grundgedanke dieses System ist dann verloren gegangen. Gibt es nicht endlich bessere Lösungen zur Senkung der Stromkosten? z.B. LED Lampen?

 

Indifferent:

_ Service am Pool – hier plagt mich mein schlechtes Gewissen, wenn die armen Menschen im Dirndl in der Sonne schwitzen müssen um die Gäste zu bedienen. Können die Servicemitarbeitern nicht lässige, professionelle Outdoorkleidung tragen? Muss wirklich das Dirndl bei 32°C das Kleidungsstück der Wahl sein? Vor lauter schlechtem Gewissen konnte ich nichts bestellen und bin fast verdurstet, um dann im Endeffekt in mein Zimmer zurück zu kehren, um dort meinen Durst zu stillen.

_ Die Mitarbeiterinnen tragen geschmackvolle Dirndl, zwar transportiert es die österreichische Tradition und wäre das Haus in Tirol/Salzburg würde ich dem auch völlig zustimmen, aber in Krems sind die Dirndl nicht so üblich wie im Westen Österreichs. Dieser Punk ist wertfrei zu verstehen, es handelt sich um tolle Kleider, aber ist es passend? Auch vor dem Hintergrund einer deutschen Hotelgruppe, ihren Mitarbeitern in Österreich diese Kleiderordnung vorzugeben, ist schon skurril.

_ Die Zimmerpflegerinnen ereilte noch ein schlechteres Schicksal, ihre Uniform erinnerte an Omas Hausanzug, dabei waren die Frauen jung und fesch und man könnte hier durchaus die Schönheit unterstreichen, statt sie in Säcken zu untergraben.

 

GROSSO MODO:

Homepage: http://www.steigenberger.com/Krems

Zimmer: 116 Zimmer + 27 Suiten

Umbau: 2007

Preis: ab ca. 160€ im DZ mit Halbpension

|Avance Hotel Steigenberger Krems – Krems – Österreich – Aufenthalt Sommer 2012|