Resonanz im Tourismus – für mich gerade neben der Nachhaltigkeit das spannendste Tourismusthema unserer Tage. Hartmut Rosa hat diesen Begriff in seinem Buch „Resonanz“ maßgeblich geprägt. In der Physik und Musik versteht man unter Resonanz das Mitschwingen eines Körpers mit einem anderen.

Das Zukunftsinstitut beschreibt es in der Trendstudie „Der neue Resonanz Tourismus“ so: „Individualisierung und Digitalisierung prägen aktuell die Tourismusbranche. Neue Technologien sollen die ausdifferenzierten Kundenwünsche vorhersagen. Dabei sind Reisende in Zeiten des Massentourismus zu Datengeneratoren, kommerziellen Angelegenheiten und logistischen Herausforderungen geworden. Doch kein Mensch fühlt sich in einer Rolle als Tourist wohl. Ein neuer Blick auf die Bedürfnisse der Menschen ist nötig: Die Sehnsucht nach Verbundenheit und Gemeinschaft wächst. Das neue Grundbedürfnis heißt: Resonanz.“ (Zukunftsinstitut GmbH 2019)

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Der vermessene Gast, der vergessene Gast

Ich möchte mich in diesem Artikel nur auf einen Aspekt der Trendstudie fokussieren, nämlich auf das Kapitel von Harry Gatterer über „Der Mensch im Tourismus – ein blinder Fleck?“ Gatterer schreibt beeindruckend klar, dass man im Tourismus vergessen hat auf die Menschen einzugehen. Man ist so beschäftigt damit die Menschen zu vermessen, alles zu messen und Rückschlüsse zu ziehen, dass man den Menschen dabei nicht mehr sieht. Gleichzeitig werden perfekte Räume geschaffen, die optimale Musik, stilvolles Design und ein stimmiges Konzept und trotzdem will keine Stimmung aufkommen. „Übervermessen, überkonzipiert und überinszeniert wirken Aufenthalte letztlich, wenn sie auf Basis von Daten richtig sind, aber eben nicht menschlich“ (Gatterer 2019).

Meine Beobachtungen

Genau diese Beobachtungen kann ich zu 100% teilen. Immer öfter komme ich in die perfekt gestylten Hotels und man spürt förmlich die Leere des Hauses. Da ist nichts mehr Lebendiges zu finden. Alles sitzt perfekt und schreit nach Instagram, oder zumindest einige Ecken sind für die Plattform zurechtgetrimmt. Die Gäste werden zwar in ihren Wünschen erkannt, aber nicht berührt. Kennen Sie dieses Gefühl? Sie kommen in ein Hotel/Restaurant, alles ist stimmig und schön und doch will sich kein verbindendes Gefühl einstellen?

Unterschied Reisen zu Commodity Goods

Zum ersten Mal ist mir dieser Effekt vor 10 Jahren in einem Grazer Hotel begegnet. Die Markenführung war wie in einem Supermarkt, die Marke war cool und lässig. Nur mit einem markanten Unterschied: Bei Commodity Goods findet der Kontakt maximal Sekunden statt. Nehmen wir als Beispiel Mannerschnitten – wenn da drauf steht: „Ein Aufriss – 10 Schnitten“ – dann finde ich das nett, kann lachen oder auch nicht. Aber die Markenbotschaft ist angekommen. Meine Interaktion war kurz wahrscheinlich 5-15 Sekunden.
Wenn ich jetzt in ein Hotel komme und die Toilette am Zimmer besuche und am stillen Örtchen dieser Spruch steht: „Bei Oma schmeckt es immer am besten, aber probieren Sie doch mal unser Restaurant XY“, dann werde ich bei jedem Toilettenbesuch diesen Spruch lesen, ob ich will oder nicht. Beim ersten Mal ist das vielleicht noch ganz nett, aber wenn ich drei Nächte bleibe, dann ist es mühsam ohne Ende. Es ist wie ein unfreiwilliger Ohrwurm.

Eine Reise in ein Hotel ist kein Commodity Good. Wir sind verletzlich auf Reisen, wir sind angewiesen auf zwischenmenschliche Erfahrungen und die Antwort, die man erhält ist: Wir haben dich vermessen und du brauchst das und das. Da ist keine echte Empathie gegeben. Das ist geschäftliches Kalkül. Es kommt nicht von ungefähr, dass AirBnB wie ein Orkan durch die Branche gefahren ist. Man wollte sich wieder mit Menschen verbinden. Alleine mit dem Preis bei AirBnB zu argumentieren, ist zu kurz gegriffen. AirBnB ist aus einem anderen Verständnis entstanden, es wollte Menschen zusammenbringen und auch wenn die Plattform mittlerweile sehr professionell ist, die Wurzeln haben sie nie vergessen. Seit einiger Zeit gibt es die Möglichkeit Touren mit lokalen Experten zu unternehmen. Der Slogan lautet: „Tu was du liebst und werde dafür bezahlt.“ Genau hier entsteht Resonanz, nämlich einen Menschen zu beobachten, bei einer Herzensangelegenheit. Eine geliebte Tätigkeit zu beobachten, erzeugt ein ganz besonderes Gefühl der Verbundenheit. Dieses Gefühl entsteht spontan und kann nicht vermessen werden.