In der Ausstellung „Weekend at the Waldorf oder Menschen im Hotel“ 2011 gab es einen entzückenden Brief von einer Dame des Hotels Fürstenhof an eine Frau Gretl. Nach 2 Jahren habe ich es nun endlich geschafft diesen langen Brief abzutippen (siehe unten). Ein Genuss zu lesen!
Herzlichen Dank an dieser Stelle an das Hotel Fürstenhof, die mir diesen Brief für RosaPfeffer zur Verfügung gestellt haben.
„Liebe Frau Gretl!
Ich komme schon wieder als Nikolo und bringe Ihnen einen Brief vom Julo. Er ist den Katzelmachern schon davongefahren und hat sich gedacht „bleibe ihm Lande und nähre dich redlich.“
Der ist schon seit gestern nachmittags bei mir, aber ich bin nicht zum Schreiben gekommen. Ich habe von gestern auf heute sehr viele Aufregungen gehabt, dann musste ich doch Julo einen langen Bericht schreiben, so ist mir für Sie keine Zeit mehr geblieben.
Aufregung Nr. 1. Da war ein Gast, der schon mindestens dreimal im Hotel war, er kam aber nur mit einer Handtasche, die Berta wollte ihm den 2. Tag kassieren, hat er ihr einen Skandal gemacht, dass er sich das nicht gefallen lässt, kam zu mir in die Kanzlei, hat sich aufgeblasen wie ein Pfau, dass er ein Prot. Kaufmann aus Innsbruck ist, schon mehreremal hier war und sein Gepäck nachkommen wird, weil er 14 Tage hier bleiben wird. Daraufhin habe ich mich noch bei ihm entschuldigt und wie ich ihm die Rechnung dann geschickt habe, hat er sie wohl gelesen, aber nicht bezahlt, sondern mit seinem Handtascherl verschwunden. Die Rechnung macht 310.000 und ich kann sie nicht einmal von der Berta ersetzt verlangen, da sie ihm doch kassieren wollte; ich habe auch sofort gegen ihn die Strafanzeige erstattet.
Nr. 2. Da wohnen schon seit 3 Wochen ein Paar, angeblich Gutsbesitzer aus Warschau, die erste Rechnung hatten sie bezahlt, die anderen nicht mehr. Bis gestern war es schon eine Million; da habe ich ihnen vorgestern einen Brief geschrieben, dass wenn ich nicht bis gestern das Geld habe, sie ausziehen müssen und ihre gesamten Sachen hier lassen müssen. Die Berta hat mir erzählt, dass sie nach Erhalt meines Briefes zusammen sehr gestritten haben, die Frau hat dann alles zusammengepackt u. hat zum Franz gesagt, er soll alles hinunter tragen, sie fährt weg und ihr Mann soll dableiben als Pfand. Na, ich brauch doch ihren Mann nicht als Pfand, hat der Franz gesagt, (weil es große Koffer waren) so lange die Schuld nicht bezahlt ist, rührt er keinen Koffer an. Wie mir das Personal gesagt hat, dass sich die Frau reisefertig gemacht hat, habe ich einfach Auftrag gegeben, dass das gesamte Gepäck zu mir in die Kanzlei kommt. Der Franz hat alles herunter getragen, die sind um 12 Uhr nachts nach Haus gekommen, so wollten sie einen Radau machen und haben ganz verrückt an der Kanzleitür und an meiner kleinen Zimmertür geschlagen. Ich habe aber nicht geöffnet und habe das Personal schon instruiert, dass ich für diese Leute um Mitternacht nicht zu sprechen bin, sie sollen in der früh kommen, dann in der früh wollte er mir mit der Polizei drohen, aber ich lies mich nicht einschüchtern; erst muss ich die Million haben, dann bekommen sie ihre Sachen. Er hat getobt und hat gesagt „Es ist so wie der selige Baron Fehervary zur Kais. Maria Theresia gesagt hat – Alle Frauen durch die Bank haben Schädel wie Elefant und Hirn wie Floh.“ Habe ich gesagt nebensächlich was vor zweihundert Jahren ein Baron zu einer Kaiserin gesagt hat, sondern ich will heute von Ihnen die Hotelrechnung bezahlt haben, auf alles andere bin ich nicht neugierig.
Während des Streits läutet gerade das Telefon, der Polizeirat, der die Sache Durban führt, ruft mich persönlich an und sagt mir, dass er bereits verhaftet ist und dass er die Einwendung macht, dass ich eine ganz gewöhnliche Angestellte im Hotel bin und gar kein Recht habe, irgend eine Verfügung zu treffen. Der Polizeirat hat gesagt, ich muss sofort hinkommen und soll mich mit irgendeiner Vollmacht vom Julo ausweisen, damit ich beweisen kann, dass der Durban nicht die Wahrheit gesprochen hat. Bei dem Telefongespräch habe ich gleich dem Polizeirat den Vorfall mit diesen Warschauer Herrschaften gesagt, sagt er, sie sollen gleich mit mir mitkommen. Das wollten sie aber nicht, sondern haben es vorgezogen, mir die Million sofort zu bezahlen. Merkwürdigerweise wollten sie auch nicht ausziehen, da sie bezahlt haben, habe ich sie nicht zum ausziehen gezwungen, habe ihnen aber gesagt, dass falls sie die nächste Rechnung nicht pünktlich bezahlen, ich sie wieder pfände, da ich mich nicht zum Narren halten lasse.
Ich fuhr dann zur Polizei, Vollmacht vom Julo habe ich wohl keine, aber meine Krankenkassen-Legitimation, wo ich als Sekretärin-Dirkettrize – angemeldet bin, habe ich mitgenommen. Der Polizeirat hat mir gleich gesagt, Na der Druban hat es aber scharf auf sie. Wie er dann vorgeführt wurde, hat er eine furchtbare dramatische Szene aufgeführt. Er ist total herabgekommen, man sieht ihm wirklich Krankheit, Not etc. von grosser Distanz an.
Zuerst fragt ihn der Pol.Rat; Kennen Sie dieses Fräulein?
Er: Ja, das ist Frau H.U.
Der P.R. Und wer ist diese Frau
D. Diese Frau ist eine Angestellte des Hr. J: F.
Der P.R. Was für eine Angestellte? Es gibt unter den Angestellten verschiedene Kategorien.
Durban: Na, eine Angestellte, die im Hotel alles macht.
Der P.Rat: was alles macht? Zimmeraufräumen? Tellerwaschen?
D. Nein, das nicht, sie ist in der Kanzlei, schreibt und kontrolliert die Stubenmädchen.
Der P.Rat. Na also, dann geben sie doch damit selbst zu, dass die Frau U. das ist, als was sie sich eben ausgibt.
Daraufhin tritt der Durban auf mich zu, schaut mich schrecklich an und sagt, dabei in der einem Weinkrampf fallend: Frau Unden, was habe ich Ihnen getan, dass Sie mich zugrunde gerichtet haben. Durch Ihre Schuld werde ich von einem Gefängnis ins andere geschleppt, durch Sie bin ich so herabgekommen, dass ich nicht mehr hinaufkommen kann. Haben Sie kein Gewissen, Herr F. ist mir so nett entgegengekommen und Sie richten mich zugrunde. Sie können sich nicht vorstellen, liebe Frau Gretl, wie ich aufgeregt war, er hat mir menschlich furchtbar leid getan einerseits, andererseits war ich sehr empört über das mir zugefügt Unrecht. Der Polizeirat hat auch ganz verwundert geschaut über diese Anschuldigungen gegen mich. Ich habe dem D. gar keine Antwort daraufgegeben, denn entweder ist er schlecht, oder er ist geistesgestört, sondern habe mich an den Polizeirat gewendet und habe ihm den Brief erklärt, wie er sein Gepäck der Firma Braumüller verpfändet hat – obwohl man doch die paar alten Fetzen gar nicht Gepäck nennen kann und er uns schon 2 Millionen schuldig war und doch als Vermieter das erste Recht auf diese Sachen haben. Ich musste doch die Firma Braumüller diesbezüglich aufklären, sonst wäre ich doch direkt seine Mitschuldige gewesen und daraufhin hat ihm eben die Fa-Braumüller verhaften lassen. Da hat der P. Rat dann zum D. gesagt, sehen Sie, wie Sie alles anders darstellen, die Frau U. ist doch ganz korrekt vorgegangen. Zum Schluss hat er sich verpflichtet, er wird unsere Schuld in Wochenraten a 50.000.—abzahlen, er wurde wieder auf freien Fuss gesetzt, wohnt jetzt im Hotel Apollo, das Verfahren bleibt aber anhängig und es wird eine gerichtliche Tagsatzung anberaumt, zu welcher ich persönlich vorgeladen werde. Wenn er mir bis dahin die Wochenraten pünktlich bezahlt haben wird, so wird er freigesprochen, im gegenteiligen Falle aber eingesperrt.
Also jetzt haben Sie beiläufig eine Ahnung, was ich mich diese 2 Tage aufgeregt habe. Es war noch eine 3. Sache mit der Elsa Wachter, aber das kommt ein anderes mal. Es wartet schon wieder jemand hier in der Kanzlei.
Recht herzliche“
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